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Magie und Apokalyptik im Zentrum lukanischer Geschichtsschreibung – Historizität am Beispiel von Apg 13.6–12

Published online by Cambridge University Press:  28 August 2015

Soham Al-Suadi*
Affiliation:
Universität Bern, Theologische Fakultät, Länggassstrasse 51, CH-3012 Bern, Switzerland. Email: soham.alsuadi@theol.unibe.ch

Abstract

Acts 13.6–12 has been viewed as highly significant in the debate about the historicity of Acts, since the beginnings of the Pauline mission among the Gentiles are supposed to be rooted here, and the story illustrates Paul's self-understanding as an apostle. On the other hand, signs of literary creativity of the author with regard to the overall theological concept and the controversy about miracles, magic and apocalyptic traditions are clearly seen in this section that seem to contradict the description of the beginnings of the Pauline mission. This paper explores the apparent contradiction in the debate about the historicity of Luke-Acts in general and Acts 13.6–12 in particular, and shows that magic and apocalypticism can be incorporated within the ancient understanding of historical verification.

German abstract: Apg 13.6–12 wird im Zusammenhang mit der Historizitätsdebatte der Apostelgeschichte ein hoher Stellenwert zugesprochen, da hier die Anfänge der paulinischen Mission unter den Heiden vermutet werden und die Erzählung das paulinische Selbstverständnis als Apostel illustriert. Zudem werden gerade in diesem Abschnitt Anzeichen der literarischen Kreativität des Autors hinsichtlich des theologischen Gesamtkonzepts und der Thematisierung von Wundern, Magie und Apokalyptik deutlich, die der Darstellung der Anfänge der paulinischen Mission zu widersprechen scheinen. Dieser Aufsatz wird dem vermeintlichen Widerspruch in der Historizitätsdebatte des lukanischen Doppelwerks im Allgemeinen und Apg 13.6–12 im Besonderen nachgehen und zeigen, dass Magie und Apokalyptik durchaus im antiken Sinn von historischer Verifikation verstanden werden können.

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References

1 Das sog. Acts-Seminar ist ein Forschungsseminar des „Westar Institute” und hat sich zur Aufgabe gemacht, innerhalb von zehn Jahren den historischen Gehalt der Apostelgeschichte zu untersuchen. „The Seminar on the Acts of the Apostles began deliberations in 2001, with the task of going through the canonical Acts of the Apostles from beginning to end and evaluating it for historical accuracy. The goal was to produce a red-letter edition of Acts, following the publication model the Jesus Seminar used in The Five Gospels and The Acts of Jesus. With such a tool in hand, students of the Bible will be better able to address issues of Christian origins.” http://www.westarinstitute.org/projects/the-jesus-seminar/seminar-on-the-acts-of-the-apostles.

2 D. E. Smith und J. B. Tyson, Hg., Acts and Christian Beginnings: The Acts Seminar Report (Salem: Polebridge Press, 2013) 148.

3 Ibid., 148.

4 R. I. Pervo, Acts : A commentary (Hermeneia Minneapolis: Fortress, 2009), 323.

5 Vgl.: E. K. Ch. Wong, Evangelien im Dialog mit Paulus: Eine intertextuelle Studie zu den Synoptikern (Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 2012) 40.

6 R. Bendemann, „Lukas”, Das Reallexikon für Antike und Christentum (Hg. E. Dassmann; Stuttgart: Anton Hiersemann, 2010) 647–8.

7 Ibid., 648. Das bedeutet freilich nicht, dass Lukas kein bzw. kein partieller Begleiter des Paulus gewesen sein könnte.

8 Ibid., 648–54 fasst die Argumente kurz zusammen.

9 W. Eckey, Die Apostelgeschichte: Der Weg des Evangeliums von Jerusalem nach Rom (Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2000), 282–3.

10 R. Metzner, Die Prominenten im Neuen Testament: Ein prosopographischer Kommentar (Novum Testamentum et orbis antiquus/Studien zur Umwelt des Neuen Testaments; Göttingen 2008), 409.

11 M. Öhler, Barnabas: Die historische Person und ihre Rezeption in der Apostelgeschichte (WUNT; Tübingen: Mohr Siebeck, 2003) 284. Um die Frage nach der Historizität endgültig zu klären schlägt Öhler vor zuerst, nach der Historizität einer Zypernmission zu fragen, um dann die daran beteiligten Personen zu überprüfen und schliesslich nach dem Erfolg dieser Reise zu fragen (Öhler, Barnabas, 285).

12 Öhler, Barnabas, 291.

13 R. W. Gehring, Hausgemeinde und Mission: Die Bedeutung antiker Häuser und Hausgemeinschaften von Jesus bis Paulus (BWM 9; Gießen: Brunnen, 2000) 204.

14 Schreiber, Wundertäter, 24.

15 Ibid., 24.

16 Smith und Tyson, Acts, 146.

17 Ibid., 146.

18 Ibid., 147–8. Maia Kotrosits macht in ihrem Beitrag zur christlichen Identitätsentwicklung auch darauf aufmerksam, dass zwischen Paulus und dem römischen Prokonsul trotz der Annäherung durch die Namensgebung politische Hierarchien abgebildet werden. Sie zitiert K. Yamazaki-Ransom, The Roman Empire in Luke's Narrative (London: T & T Clark, 2010) 119: „Luke's use of the double name does not merely signify the Greco-Roman setting of the narrative, it also indicates the socio-political relationship between Sergius Paulus and Paul. The use of two names for an individual, one in his native language, the other in the language of the colonizers, points to the reality of the imperial domination of other cultures. In Luke's narrative, this is Paul's first encounter with a Roman official, and therefore the use of his Roman name is appropriate … Thus the relationship of Sergius Paulus and Paul is that of colonizer and colonized.”

19 Eine Entscheidung über den Ort der Entstehung des lukanischen Doppelwerks zu treffen ist zuweilen der Anfang dieser Debatte. Geht man, wie beim Namen des Autoren mit der altkirchlichen Tradition, die die Nähe zwischen der Biographie des Apostels und Lukas in den Vordergrund rückt, dann ist Rom der gewählte Ort der Entstehung (R. Bendemann, ‘Lukas’, 657). Die Abfassungszeit beider Werke ist ebenso umstritten. Eine Frühdatierung, die begründet, warum der Tod des Apostels nicht erwähnt wird, oder eine Abfassungszeit, die noch keine umfassende Paulusbriefsammlung kennt, lassen sich auf der Basis der Zwei-Quellen-Theorie und der vermittelten Zerstörung Jerusalems im Evangelium ausschliessen. Bendemann schliesst auch eine Datierung in die Regierungszeit Domitians aus, da sich die Texte seiner Meinung nach, nicht sicher einem bestimmten politischen Verhältnis zuordnen lassen. Stattdessen sieht er das Evangelium und die Apostelgeschichte nacheinander in der sog. dritten frühchristlichen Generation verfasst (ibid., 658).

20 Ibid., 655–6.

21 D. Schmidt, „Rhetorical Influences and Genre”, Jesus and the Heritage of Israel: Luke's Narrative Claim upon Israel's Legacy (Hg. D. P. Moessner; Harrisburg, PA: Trinity Press International, 1999) 60 zitiert Ph. E. Satterthwaite, „Acts against the Background of Classical Rhetoric”, B. W. Winter und A. D. Clarke, The Book of Acts in its Ancient Literary Setting (Grand Rapids: Eerdmans, 1993), 337–9, hier 378–9.

22 Schmidt, „Rhetorical Influences”, 59.

23 Smith und Tyson, Acts, 148–9.

24 C. G. Müller, „διήγησις nach Lukas”, Historiographie und Biographie im Neuen Testament und seiner Umwelt (Hg. T. Schmeller; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2009) 96.

25 S. Hagene, Zeiten der Wiederherstellung: Studien zur lukanischen Geschichtstheologie als Soteriologie (Neutestamentliche Abhandlungen. Neue Folge 42; Münster: Aschendorff, 2003) 65–6. Hagene bezieht sich auf Aleida Assmanns Studie Zeit und Tradition: Kulturelle Strategien der Dauer (Beiträge zur Geschichtskultur; Köln: Weimar, 1999).

26 Hagene, Zeiten der Wiederherstellung, 53–8. Ibid., 57: „Das von Lukas aus seiner Kenntnis des Markusevangeliums sowie der griechisch-römischen und der jüdischen Geschichtsschreibung zu einer eigenständigen Form entwickelte Geschichtsbild läßt sich letztlich nur vor dem Hintergrund einer apokalyptischen Hermeneutik verstehen.”

27 H. Braun, Geschichte des Gottesvolkes und christliche Identität: Eine kanonisch-intertextuelle Auslegung der Stephanusepisode Apg 6,1-8,3 (WUNT 2 279; Tübingen: Mohr Siebeck, 2010) 46.

28 Ibid., 46. Vgl. schon: U. Wilckens, Die Missionsreden der Apostelgeschichte: Form- und traditionsgeschichtliche Untersuchungen (WMANT; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins, 1963) 204: „Diese Theorie der Heilsgeschichte besteht darin, daß einerseits alle Geschichte in ihrem Wesen als von Gott vorhergeplanter und gewirkter, einlinig-zielgerichteter Geschehenszusammenhang von Verheissung und Erfüllung und dieser zugleich andererseits als im Heilsplan Gottes vorherbestimmter Heilsbereich verstanden wird.”

29 Müller, „διήγησις”, 125. Müller verweist hier auf Herodots historiographischen Anspruch.

30 Ibid., 123.

31 K. Backhaus und G. Häfner, Historiographie und fiktionales Erzählen: Zur Konstruktivität in Geschichtstheorie und Exegese (Biblisch-theologische Studien; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2007) 2.

32 Ibid., 4.

33 Ibid., 27.

34 Ibid., 4.

35 Ibid., 24.

36 Ibid., 57.

37 Hagene, Wiederherstellung, 61.

38 Ibid., 60.

39 Ibid., 61.

40 Chr. Rowland und J. L. Kovacs, Apocalypses and Apocalypticism: New Testament (Encyclopedia of the Bible and its Reception (EBR); Berlin, 2009) 341–2.

41 Ibid., 341–2.

42 M. Frenschkowski, Magie: Neues Testament (Religion in Geschichte und Gegenwart; Tübingen, 2002) 668–9.

43 Ibid., 669.

44 U. B. Müller, Prophetie und Predigt im Neuen Testament: Formgeschichtliche Untersuchungen zur urchristlichen Prophetie (Studien zum Neuen Testament 10; Gütersloh: Mohn, 1975) 183. Schreiber, Wundertäter, 27–8 sieht deutliche Differenzen zu sog. Fluchworten. Diese bestehen darin, dass es sich (1) in Apg 13.11 nicht um eine magisch wirkende Macht, sondern um Gott handelt,  der sich nicht als doppelpolig erweist, sondern vielmehr im Sinne seiner Botschaft „gut” handelt und (2) das Wort des Paulus nicht als die Strafe wirkt, sondern die „Hand des Herrn”. Schreiber bevorzuge daher die Bezeichnung Unheilsansage.

45 D. E. Aune, Prophecy in Early Christianity and the Ancient Mediterranean World (Grand Rapids: Eerdmans, 1983) 270.

46 M. Becker und M. Öhler, Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie (WUNT 2; Tübingen: Mohr Siebeck, 2006). Jörg Frey fasst treffend zusammen: „Letztendlich dominierte die theologische Skepsis gegenüber der eschatologischen Zukunftserwartung, verbunden mit dem Eindruck, dass die apokalyptischen Texte allzu sehr in eigenmächtigen Bildern und Vorstellungen schwelgten und auch aus diesem Grund weniger auf göttlicher Offenbarung als auf menschlich-allzumenschliche Wunschvorstellungen zurückzuführen seien. Dementsprechend hat sich auch seit der Einführung des fachsprachlichen Terminus ‚Apokalyptik’ in die theologische Diskussion durch Friedrich Lücke die neutestamentliche Exegese sich oft bemüht, Jesus und die Apostel von dieser jüdischen Strömung und ihrer Geisteshaltung möglichst abzurücken, eben weil man in den apokalyptischen Bildern und noch mehr in den eschatologischen Berechnungen kaum religiös Gültiges erkennen konnte.” J. Frey, „Was erwartet die Johannesapokalypse?”, Die Johannesapokalypse: Kontexte – Konzepte – Rezeption (Hg. J. Frey; Tübingen: Mohr Siebeck, 2012) 476–7.

47 Ibid., 5.

48 Ibid., 5.

49 Ibid., 6.

50 Ibid., 8. Mit dieser Definition unterscheiden sich die Autoren von einem Diskurs, der vor allem die Eschatologie der Apokalypse als warnende Zukunftsweisung verstand. Jörg Frey führt hierzu aus: „Die Eschatologie, und hier vor allem die futurische Komponente der eschatologischen Erwartung, hat dieses Buch auf der einen Seite zur Quelle der Erlösungshoffnung und Jenseitssehnsucht werden lassen, auf der anderen Seite konnte es dadurch auch für die Wahrnehmung vieler als eine Ankündigung von zu erwartenden Katastrophen bzw. des kommenden Weltuntergangs erscheinen – mit der Folge, dass der Begriff ‚apokalyptisch’ im allgemeinen Sprachgebrauch inzwischen ausschließlich mit dieser negativen Konnotation gebraucht wird.” Frey, „Johannesapokalypse”, 478.

51 Aune, Prophecy, 323 geht nicht davon aus, dass die neutestamentlichen Gerichtsankündigungen von weitreichender hermeneutischer Bedeutung sein könnten, da „the announcement of judgment, the most common form of prophetic speech in the OT, is exceedingly rare in early Christianity. In early Christian prophetic traditions the threat of judgment is usually conditional, and usually occurs in conjunction with conditional promises of salvation”.

52 Frey, „Johannesapokalypse”, 487–93.

53 Zu Mk 13 hält Eve-Marie Becker fest, dass „auch im Umkreis des frühen Christentums Geschichte, Prophetie und Eschatologie in die apokalyptischen Sprach- und Denkformen, die maßgeblich durch das Danielbuch vorgegeben waren, eingekleidet wurden”. E.-M. Becker, „Markus 13 re-visited”, Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie (Hg. M. Becker und M. Öhler; Tübingen: Mohr Siebeck, 2006) 108.

54 Siehe ibid., 124. Becker versteht Mk 13 als apokalyptische Redaktion prophetischer Tradition.

55 Frey, „Johannesapokalypse”, 546.

56 R. G. H. Reuter, „Animosity against Jewish and Pagan Magic in the Acts of the Apostles”, Animosity, the Bible, and Us: Some European, North American, and South African Perspectives (Hg. J. T. Fitzgerald, F. Van Rensburg, H. F. Van Rooy; Atlanta, GA: Society of Biblical Literature, 2009) 131.

57 B.-C. Otto, Magie: Rezeptions- und diskursgeschichtliche Analysen von der Antike bis zur Neuzeit (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten 57; Berlin: De Gruyter, 2011) 1–2.

58 Ibid., 39. So auch N. Janowitz, Magic in the Roman World: Pagans, Jews and Christians (Religion in the First Christian Centuries; London: Routledge, 2001) 5: „The term ‘magic’, in short, was too closely intertwined with polemics in the ancient world to easily, or even with a great deal of contortion, fall into a neat scholarly category.”

59 Otto, Magie, 286.

60 Ibid., 286.

61 Zur rabbinischen Klassifikation der Magie siehe auch Janowitz, Magic, 20–6.

62 Otto, Magie, 284.

63Nam si, quod ego apud plurimos lego, Persarum lingua magus est qui nostra sacerdos, quod tandem est crimen, sacerdotem esse et rite nosse atque scire atque callere leges cerimoniarum, fas sacrorum, ius religionum ….

64 Janowitz, Magic, 10.

65 Ibid., 6.

66 G. Luck, Magie und andere Geheimlehren in der Antike (Kröners Taschenausgabe; Stuttgart: Alfred Kröner, 1990) 1.

67 Ibid., 1.

68 Ibid., 6, 8.b

69 Ibid., 6.

70 Ibid., 290.

71 B. Kollmann, Jesus und die Christen als Wundertäter: Studien zu Magie, Medizin und Schamanismus in Antike und Christentum (FRLANT; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1996) 320.

72 Ibid., 330.

73 Ibid., 334.

74 Ibid., 334.

75 Ibid., 285.

76 B. Heininger, „Im Dunstkreis der Magie: Paulus als Wundertäter nach der Apostelgeschichte”, Biographie und Persönlichkeit des Paulus (Hg. O. Wischmeyer, E.-M. Becker, P. Pilhofer; Tübingen: Mohr Siebeck, 2005) 276.

77 Müller, „διήγησις”, 96.

78 C. Hartsock, Sight and Blindness in Luke-Acts: The Use of Physical Features in Characterization (Biblical Interpretation series; Leiden: Brill, 2008) 199. Siehe auch für ein besseres Verstehen von χειραγωγέω, bzw. χειραγωγός das Corpus Hermeticum 7.2 und Maximus von Tyrius 8.7h (T. J. Kraus, Ad fontes: Original Manuscripts and their Significance for Studying Early Christianity. Selected Essays (Texts and Editions for New Testament study; Leiden: Brill, 2007) 104).

79 Schreiber, Wundertäter, 30.